Dienstag, 4. Februar 2020 - San Antonio 

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Im Pazifik gab’s eine Dünung. Das heißt irgendwo war ein Unwetter und über hunderte, oder tausende Kilometer kamen Wellen, die man im Wasser kaum wahrnimmt (außer, dass die Schwankung des Schiffs sehr groß ist), die sich aber, wenn sie auf Land treffen zu meterhohen Wellenbergen auftürmen. So geschehen in San Antonio. Daher keine Landung im Hafen, den ganzen Tag Durchsagen und Entschuldigungen des Kapitäns. Erst am nächsten Tag Landung in Valparaiso.
Schon am Morgen kam für uns die große Beruhigung. Walter, unser Whirlpoolnachbar, sagte zu den Unruhen an Bord, die es wegen der Unmöglichkeit an Land zu gehen, gab: „Die Leute haben eben eine Schiffs- und keine Landreise gebucht. Und am Schiff sind wir ja.“ Mit diesem guten Scherz des Herrn Fröhlich, war auch unsere Frage, ob wir Pablo Nerudas Haus in Isla Negra besuchen können, verflogen. Wir haben es nicht besucht. Ich kenne es schon und Marguerite musste es nicht sehen. Vor allem nicht mit hunderten anderen Gästen in dem kleinen Haus in dem Neruda sich wie ein Seekapitän benehmen konnte, obwohl er schon beim Besteigen eines Schiffs Seekrank wurde. Er ist uns bleibt bis heute der einzige Literaturnobelpreisträger Lateinamerikas. Sein Gedicht: „Die Araukanie“ habe ich allerdings nicht gelesen, weil ich keine deutsche Übersetzung fand. Jaqueline hat sich nun den spanisch en Text geladen, um es für mich zu übersetzen, wenn sie nicht Servietten für ihren Sohn stickt. Wegen Neruda musste ich an Petra denken, die ehemalige Schiffsärztin, die wird nie seekrank wird, er war in allem das Gegenteil. Neruda war ein Macho und hatte mehrere Frauen gleichzeitig (weswegen er eine Wohnung in Santiago und zwei rund um Valparaiso hatte, die nun Museen sind) und ein Genie. Wer ihn nicht kennt, kennt vielleicht den Film: „Wenn der Postmann zweimal klingelt“, der Nerudas Zeit in Ischia und Capri zeigt. Da ist mir Neruda lieber, wenn man das vergleichen kann.

Da fragen sich jetzt natürlich die geneigten Leser*innen: „Was macht man an so einem Tag?“ Zuerst: empfindet man ihn als Geschenk. Ma geht ins Sprudelbad auf Deck 9, dann ein bisschen Frühstück in der Kabine. Ich arbeite an meinem Blog zur Mystik (den Sie noch nicht kennen), Marguerite behandelt ein paar Kinder telemedizinisch. Kurz danach telefonieren wir mit Jaqueline und Alfred und haben nur mehr eine Stunde Zeit bis zum Mittagessen im Club Deliziosa auf Deck 10. Das dauert bis 14 Uhr. Siesta.

Um 16 Uhr schon wieder Sprudelbad, diesmal eine Stunde mit Jaqueline und Alfred. Da wird’s nie fad, man hat sich komischerweise immer was zu erzählen. Die Themen reichen von Pablo Neruda über Stickerei, Golf und Golfplätze bis zu den Abenden.

Salomon grüßt mich nach ¾ Stunden, als er am Sprudelbad vorbei geht. Ich komme raus und wir reden über unsere Orden (seinen bekam er für ein ausgezeichnetes Business in Paris von Valerie Giscard d’Estaing). Über Frauen und eben Golf. Ich radebreche Französisch, er unterstützt mich, manchmal sag ich ein Wort auf Englisch, wenn es mir nicht einfallen will, sogar auf Deutsch – er hilft mir und mein Französisch ist immer noch besser, als sein Deutsch. Das ist in dem Fall leicht.

Die Zeit zwischen dem Nachmittagssprudel und dem Abendessen um 20:30 geht schnell vorbei: ich arbeite an meinem Blog und Marguerite behandelt Kinder (das hatten wir oben schon, oder?). Es sind geschenkte Minuten. Ich denke an meine Freunde daheim, dass Peter S. meinen Blog nicht liest, dass andere es machen, dass ich Rückmeldungen seit meinem Resümee bekommen habe (also gelungen), wenn auch nur zwei, ich schreibe, korrigiere, bin unzufrieden, oder freu mich über das Geschriebene, schick Manches weg, trink dabei Nachmittagstee und esse Schockolinsen aus Ecuador (62%). Uje, schon 20 Uhr. Wir müssen gehen. Marguerite hat mit Erica, einer schweizer Ärztin mit der wir in Galapagos waren, ausgemacht, dass wir sie im 10. Stock treffen. Dort sitzt auch das andere schweizer Paar. Dahinter Alfred und Jaqueline, mir ist das peinlich und das Übergeben eines Bildes mit Airdrop scheint nicht zu funktionieren. Nach mehreren Versuchen gebe ich es auf, winke Marguerite, die am anderen Tisch sitzt und gehe Fotos schauen, Termine für das personal training ausmachen und sowieso. Um 20:35 bin ich im Speisesaal, wo ich Vorwürfe von M. bekomme, weil ich einfach verschwunden bin. Sie sei mir nachgerannt und hätte mich nicht gefunden, so geht’s.

Dann schon Abendessen (die Einzelheiten nur auf Anfrage) und eine tolle Show von den doch noch eingetroffenen Chilenen, die schon seit San Antonio an Bord hätten sein sollen. Sogar zum Soundcheck kommen wir noch rechtzeitig. Das Theater Duse ist voll, die Show herrlich. Die Chilenen zeigen mit Tanz und Musik Geschichten von Liebe, Eifersucht und Ästhetik, ein ganzes Orchester mit lokalen Instrumenten (Gitarre, Panflöte, Trommel und Gesang) singt und spielt die traurigen Geschichten in Spanisch. Ich wache und nicke an Ms Schulter ein, es ist warm, dunkel und gute Musik.

 So schnell kann ein ungeplanter Tag vergehen, inzwischen sind wir außertourlich in Valparaiso gelandet und freuen uns auf einen Tag ohne Bus und Besichtigungstour. Die anderen nehmen die included tour, die wir schon kennen. Wir haben uns die zweimal 70 Euro gutschreiben lassen. Ja, so wird man reich!
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