Eine Sitzung ohne Protokoll

Ich war schon ein Jahr in Graz, Leiter der Psychosomatik. Mein Chef, Prof. Dr. R. Kurz wollte unbedingt eine Psychosomatik. Diese war 1985 die Station 6 der Infektionsabteilung der Univ.-Kinderklinik Graz. Mit diesem Wunsch war er allein in der Riege seiner kinderärztlichen Kolleg*innen. Dr. Weixler war wirtschaftliche Direktor und Vater eines autistischen Kinds. Er schätzte alles, was für Kinder mit psychischen Problemen gemacht wurde. Der ärztliche Direktor Dr. Stepanschitz, traditionell der „schwarze“ Gegenpart von der ÖVP, noch besser von dessen akademischer Vorfeldorganisation dem Cartellverband CV, fand, dass alles was mit Kinderpsyche zu tun hatte im LKH Graz keinen Platz hatte. Altnazis hatten nach 1945 zu Juden eine widersprüchliche Haltung. Einerseits hassten sie Juden, andererseits bewunderten sie sie. Prof. Dr. Falk war einer vor ihnen und ehemaliger interimistischer Vorstand der Univ.-Kinderklinik. Es mag sein, dass er als Konsiliararzt der Kinderpsychiatrie  dem ärztlichen Direktor den Floh ins Ohr gesetzte hatte, meine kleine Station der Infektionsabteilung in das Landesnervenkrankenhaus „Feldhof“ zu verlegen. Die dazu anberaumte Sitzung fand überraschend eines Dienstags im Herbst 1985 um 08:15. statt. Weiterlesen...


Krankengeschichten

Diese Geschichte meiner Aufmüpfigkeit gehört zu meinen Lieblingen. Ich erzähle sie gern beim ersten Glas Wein, oder erst nach dem zweiten. Es ist die Geschichte eines Knechts. Eines Knechts, der den Gehorsam verweigert und dazu das Recht nützt. Meine Bewunderung für H. v. Kleists Michale Kohlhaas drückt sich darin aus, mein Respekt für Jaroslav Haseks Schwejk, meine Erziehung zu einem selbstbewussten Juden in einer judenfeindlichen Umgebung und nicht zuletzt meine geringe Körpergröße, die mich zu einem Provokateur gemacht hat. Weiterlesen...


"Da rauchen junge Burschen - Ihre Patienten"

Der stellvertretende Klinikvorstand und Leiter der Infektionsabteilung war ein selbsternannter Kinderradiologe, und Kettenraucher. Er trat fast gleichzeitig selbstbewusst und christlich unterwürfig auf. Dazu kam eine Tendenz zur Intrige, von sehr netten Streifen wahrhafter Kollegialität und Interesse am Fach durchzogen. Eine vielschichtige Persönlichkeit, an der man die jeweilige Stimmung der Klinik gut ablesen konnte, denn anders als er es gern gehabt hätte, konnte man in seiner Seele wie in einem offenen Buch lesen. Weiterlesen...


Drogenbabys

Kinder kokain- oder opiumsüchtiger Mütter, die während der Schwangerschaft ins Drogenersatzprogramm aufgenommen worden waren, wurden an der Klinik schlecht behandelt. Die Kinder waren viel zu lange auf Station, bekamen zu lange Opium. Die weitere Betreuung wurde erst nachdem das Kind auf der Welt war, geplant. Das war falsch und erschwerte die Entwicklung einer Beziehung zwischen Mutter und Kind. Ich litt darunter sehr, obwohl es mich an sich nichts anging. Ich war Mitglied der American Association for Child and Adolescent Psychiatry (AACAP) und wusste aus der Lektüre ihres Journals, dass man den Kindern viel besser helfen konnte. Weiterlesen...


Ein Kinderarzt unterrichtet Theologie

Ich bekam eine E-Mail von Otto König, einem Professor für Dogmatik der kath.-theolog. Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz. Er lud mich zu seiner Lehrveranstaltung zum interreligiösen Dialog an einem Freitagnachmittag ein, um mit ihm über das Judentum zu diskutieren. Gerne sagte ich zu und schlug vor das an einem 24.12. zu machen, wenn der denn auf einen Freitag fiele. Da hätte ich nämlich nichts vor. Weiterlesen...


Ein Sitzstreik 

1988 – meine Station wurde gesperrt. Aus dem Nichts heraus. Sicher, viele wollten das schon lange. Mein Nachbar, UP Dr. Zach benötigte die Betten. Er wollte die Pneumologie und Allergologie zu einer Abteilung machen, was ihm auch gelang. Allerdings musste er dafür die kritische Anzahl an Spitalsbetten auf 24 steigern und da beschloss er meine Einrichtung zu stehlen. Weiterlesen...


Gefahr

Wenig habe ich über die Gefahren eines psychosomatisch tätigen Arztes, Ärztin geschrieben. Schon am Beginn meiner Tätigkeit 1975 gab’s die und sie setzten sich mit kleinen Erlebnissen fort. Es waren nicht nur die Anfeindungen der Kolleg*innen, sondern die Belastungen der Patient*innen und deren Kinder, die sich bisweilen gegen ihre Behandler richteten. Von Stalking bis zu offener Aggression, von Beschwerden bis Schreiduellen – alles ereignet sich in einem Arztleben. Weiterlesen...