Rom - 9.1.2020

Um 8 Uhr schon im Theater, um die Tickets für den Spezialzug zu bekommen. Da bin ich schon um sechs Uhr wach. Was tun? Fitness und Morgenröte. Der Fitnessraum ist etwas ungepflegt: viele Geräte gestört, keine Desinfektion, siehe vorgestern. Ich trainiere meine Arme. Das hat meine Frau so angeordnet.

Um Sieben gibt’s Frühstück. Im Zimmer. Frosties und Tee. Ab ins Theater. Die Menschen stehen um die Tickets an. Warum sie das machen weiß man nicht. Man wird in fünf Sprachen aufgerufen und geht dann brav auf die Bühne und bekommt von einem unausgeschlafenen, freundlichen, jungen Menschen den Sticker, den man sich auf den Pullover klebt. Dann geht’s zum Bus, mit dem Bus zur Bahn und in einem historischen Pullmann Zug, der mit Diesel angetrieben wird nach Rom. Dadurch dauert die Fahrt Civitavecchia bis Rom auch dopllt so lange, nämlich eine Stunde. Eng sitzend auf echten Lederpölstern und laut ist es, wunderbar laut.

Wir sind mit einem wiener Ehepaar unterwegs: ein Bauingenieur und eine ehemalige Botschaftsmitarbeiterin aus Uruguay. Konservativ, unternehmungslustig, manchmal schwierig und oft lustig. Alfred, gleichalt wie ich und sehr bestimmend, verlässt kleine und große Gruppen und nimmt an, dass man ihm folgt. Macht man es nicht, sieht er das angeblich und bleibt stehen. Das Beste an ihm ist, dass er meine „Klugscheißerei“ nicht mag. Weder meine Erklärungen zu Emmaus (weil ein Hotel so hieß), noch zu lateinischen Inschriften entlocken ihm eine Reaktion. Jaqueline und ich verstehen uns gut. Wir erleben die Welt in Geschichten, wohingegen Marguerite und Alfred die Welt in Zahlen, Richtungen und Plänen einteilen. Wunderbar.

Gleich am Anfang fallen wir in ein Unterwäschegeschäft, das in Auflösung ist. Die Chefin, über achtzig Jahre alt, spricht ein paar Brocken Deutsch. Sie führt das Geschäft seit 60 Jahren und jetzt ist es für sie genug. Schöne Ware und zu Spottpreisen. Sie wollten heute aufhören, aber machen noch zwei Tage – dann ist Schluss. Wir kaufen Leibchen, Unterhosen, Leibchen, Stutzen – 70€ - und der erste Kaufrausch ist vorbei. Wir tragen den Einkauf den ganzen Tag am Rücken.

Wir gehen bis zur Unterführung neben dem Vatikanstaat und finden dort ein Taxi. Bei der Fontana di Trevi suchen wir das spezielle Pfeifengeschäft in dem ich vor Jahren eine Pfeife gekauft habe. Der Eingang des Geschäfts ist mit einem Scherengitter verschlossen hinter das Abfälle geworfen wurden. Obwohl damals der Sohn des Geschäftsgründers übernommen hatte und in einer Werkstatt hinter dem Verkaufsraum Pfeifen schnitze, polierte und reparierte ist es geschlossen worden. Vielleicht fiel es der Antiraucherkampagne zum Opfer, oder man konnte es sich verbessern. Alfred geht es mit seinem Ledergürtelgeschäft, das er uns zeigen will, genauso: auch dieses war teuer und mit handgearbeiteten Gürteln etwas Spezielles – verschwunden. Sogar das große Geschäft gegenüber in dem Devotionalien und Priester- und Nonnengewänder verkauft wurden – geschlossen. Tempores mutantur et nos mutamus in illis. Weder Rauchen noch die Religion sind derzeit in.

Hingegen das Essen in einem italienisch-libanesischen Restaurant in dem wir sogar Humus geschenkt bekommen und mehr bestellen, als wir sollten: sehr gut. Nur das Saltimbocca a la Romana etwas komisch – wie soll ein Koch aus dem vorderen Orient auch mit Speck umgehen können. In den Spaghetti carbonara fand sich nur ein mikroskopisch großes Stück Speck. 

Es bleiben noch zwei Stunden in denen Shampoons, Toilettartikel aller Arten gekauft werden und ein Wasserkocher für Tee. Der ist zwar verboten, aber macht Spaß. Auf der Straße Vittorio Emanuele ist viel Verkehr, in der Ferne die Engelsburg und die Kuppel des Vatikans. „Rom ist ein Freilichtmuseum,“ sagt Jaqueline und es stimmt. Jeder Schritt führt an einem Palazzo vorbei, alles erscheint schön im hellen Sonnenlicht, es ist noch kühl, aber es riecht schon nach Frühling und in den Straßen dominieren die Mofas. Es wird noch Eis gegessen, zu viel für mich und ab ins Taxi. Zu früh am Bahnhof S. Pietro, wir warten unnötig lang und fahren mit dem Dieselzug zurück nach Civitavecchia.

Komisch: an der Eingangskontrolle vorm Schiff ärgert sich eine Frau hinter mir, weil die behinderte Dame vor mir ihre Karte verloren hat. Ein so schöner Tag und dann ärgert man sich über – Nichts!

Allerdings zuletzt hat es mich dann auch getroffen und es machte mich demütig: ich ging allein – nachdem ich mich umgezogen hatte – zum Tanz. Dort war ein kleines Spiel im Gange: ein Bild von Spaghetti carbonara wurde gezeigt (natürlich mit Rahm) und gefragt was das sei. Ich stürzte nicht nach vorne, ich sagte nichts, hielt keine Ansprache und tanzte danach nicht mit einer der Tanzlehrerinnen. Zu feig. Die ganze Nacht und den Morgen hielt ich meine kleine Rede in fünf Sprachen. Zu spät. Zu ärgerlich.

Folgen Sie mir weiter und erfahren Sie, dass wir wegen Streiks nicht in Marseille landen können. Daher fällt unsere Absicht eine Bouillabaisse zu essen aus. Stattdessen werden wir in Savonna Pizza nehmen und dann nach Barcelona weiterreisen. Aber das ist morgen.

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